Headhunting

Die wenigsten von uns werden geheadhuntet!

Wie wahr, was eine Kollegin schon vor Jahren erkannte. Und doch nimmt die Stellenbesetzung mittels Headhunter im Verbandswesen zu. Aber warum?

Zunächst zum Phänomen: Früher war es üblich, dass die Geschäftsführung ihre Mitarbeiter (sowieso!) und auch ihre Nachfolger selbst aussuchte. Bei höherrangigen Posten wurde der Vorsitzende, der Vorstand oder eine Personalkommission einbezogen. Sicherlich wurden ordentliche Bewerbungsverfahren ausgeschrieben. Aber die Beziehungen zwischen Kollegen verschiedener Verbände waren wichtig.

Scheinbar möchte “das Ehrenamt”, möchten die Vorstände und Vorsitzenden heute mehr Mitsprache. Wird ein Headhunter beauftragt, Kandidaten für eine Stellenbesetzung zu finden, liegt das Verfahren nicht mehr in der Hand der Verbandsgeschäftsführung.

Welche Gründe kann es dafür geben, die Personalpolitik selbst in die Hand zu nehmen?

Demographie und Rationalisierung

Bis vor wenigen Jahren nahm die Personalstärke in Verbänden zu. Meist entstanden breitere »zweite Ebenen| durch zusätzliche Referenten, eben das Parkinsonsche Gesetz at work. Diese Zeiten sind vorbei. Das Geld ist knapp, die Margen sind gering; die Zahl der Unternehmen in jeder Branche sinkt – durch Übernahmen oder Ausscheiden von Marktteilnehmern.

Dieser Strukturwandel macht vor den Verbänden, in denen die Unternehmen einer Branche organisiert sind, nicht halt. Mit der Abnahme der Mitgliederzahl sinken die Beitragsvolumina und die Handlungsspielräume der #Verbände. Verbände fusionieren oder verschwinden. Das notwendige oder wünschenswerte Personal kann nicht mehr im vollen Umfang gehalten werden. Hinzu kommen rasante Effektivitätssteigerungen, etwa durch den Einsatz moderner Kommunikationstechnik. Nicht jede freiwerdende Stelle wird neu besetzt, nicht jeder Referent kann damit rechnen, zum Geschäftsführer befördert zu werden; die Zahl der Hauptgeschäftsführerpositionen wird geringer.

Das Aufsteigen in der Linie ist also nicht mehr unbedingt gegeben und damit ist eine aktivere Personalpolitik und Personalauswahl notwendig. Hier kann ein Headhunter durchaus der Experte sein, der bei der Stellenbesetzung hilft.

Misstrauen

Das eingangs beschriebene Verfahren, in dem sich »die Verwaltung« ausdehnt und selbst perpetuiert, ist der nachwachsenden jüngeren Unternehmergeneration, die wie in ihren Unternehmen auch in den Verbänden die Führung von ihren Vätern übernimmt, fremd, ja vielleicht sogar ein Dorn im Auge. Wichtige Entscheidungen gehören in den Vorstand, und zwar von Anfang an.

In der Beauftragung eine Headhunters kommt somit der Führungsanspruch des Vorstands zum Ausdruck, richtungsweisende politische Entscheidungen – und was ist Personalpolitik sonst? – selbst zu bestimmen. Zurecht wird dies von der amtierenden bzw. scheidenden Geschäftsführung als Misstrauen gewertet. Allerdings ist im Kontext der Principal-Agent-Theorie grundsätzlich nichts anderes zu erwarten. Oder auch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Richtungsänderung

Offenbar finden die Vorstände vieler Verbände derzeit, dass es einer Richtungsänderung bedarf. Wie sonst ist zu erklären, dass Geschäftsführerpositionen in Verbänden zunehmend vollkommen branchen- und fachfremd besetzt werden? Mit Journalisten, etwa. (Eine interessante neue Idee, denn angesichts der zunehmenden Politisierung der Verbandsarbeit braucht es eine offensive Kommunikation.)

Personalentscheidungen sind immer Richtungsentscheidungen. Gerade in Verbänden, wo das »Hauptamt« prinzipiell »für immer« eingestellt wird, kommt es besonders auf die persönlichen Werthaltungen, Grundüberzeugungen und Kernkompetenzen an. Soll sich die Verbandspolitik grundlegend ändern, muss jemand »von außen« geholt werden, und das geht konsequent und einfach per Headhunter.

Verantwortung, oder ihr Gegenteil

Schließlich gibt es noch einen weiteren Grund, der sich wiederum aus der Principal-Agent-Theorie herleiten lässt. Gerät die Stellenbesetzung »daneben«, so kann der auftraggebende Vorstand den Headhunter für die Fehlbesetzung verantwortlich machen. Er belastet damit weder sich selbst, noch die Beziehung zur bestehenden Verbandsgeschäftsführung. Insofern profitiert auch diese in gewisser Weise von der Delegation nach außen.