Gedanken zur Verbandsfinanzierung

Der Verbandsbeitrag: ein ewiger Zankapfel. Dieser Artikel betrachtet Verbandsbeiträge vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus: Verbände bieten Dienstleistungen an, und Mitglieder messen diesen einen Wert bei. Kosten und Zahlungsbereitschaft legen den Rahmen fest. Eine besondere Rolle spielt dabei die Langfristigkeit der Beziehung.

Charakteristik der Verbandsarbeit

USP

Was können Verbände, das nur Verbände können? Ein USP ist immer dann gegeben, wenn man ein Produkt als Quasi-Monopolist anbieten kann. Ein Monopol wiederum gründet sich auf die Kontrolle eines Beschaffungs- oder Absatzmarktes. Im Falle von Verbänden ist die begrenzte Resource, über die sie verfügen, der Zugang zu politischen Entscheidungsträgern. Die Zeit, die diese für Lobbying zur Verfügung haben, ist begrenzt. Die Zeitung The Economist nennt dies Ear Time und hält diese – gerade in Brüssel – für sehr begrenzt. Verbände, die ganze Branchen repräsentieren, werden von der EU-Kommission, bzw. allgemein von der Politik, eher gehört, als einzelne Unternehmen oder Berater, die nur Partikularinteressen weniger Kunden vertreten.

Allerdings ist das Resultat des Lobbying in der Regel eine gesetzliche Regelung – oder deren Verhinderung oder Aufschiebung – und somit ein Ergebnis, das der gesamten Branche zugutekommt. Nichtmitglieder profitieren genauso wie die Unternehmen, die mit ihren Beiträgen den Verband mittragen.

Das als Monopolist angebotene Gut „Lobbying“ eines Verbandes ist somit zugleich ein „öffentliches Gut“ (jedenfalls bezogen auf die repräsentierte Branche). Es stellt sich eine doppelte Herausforderung: Da Nichtmitglieder nicht von dem Nutzen eines erfolgreichen Lobbying ausgeschlossen werden können, gibt es wenig Anreiz, überhaupt erst zur Finanzierung beizutragen und Mitglied des Verbandes zu werden. Andererseits erhalten Verbände nur dann Zugang zur Politik und können Lobbying überhaupt anbieten, wenn sie eine ausreichende Anzahl von Branchenunternehmen (ein erster Ansatz wäre: mindestens die Hälfte) vertreten.

Clubgut

Manchmal lassen sich Ergebnisse der Verbandsarbeit tatsächlich auf die Mitglieder des Verbandes beschränken. Zum Beispiel gelten Tarifabschlüsse nur für Mitglieder der Tarifparteien. Durch die Beschränkung der Anwendbarkeit der erzielten Ergebnisse des Lobbying wird das angebotene Gut zu einem „Clubgut“. Aus diesem Grund bieten viele Verbände „exklusive“ zusätzliche Dienstleistungen an wie z. B. den gemeinsamen Einkauf von Produkten und Dienstleistungen für die Mitglieder, Zugang zu individuellen Angeboten oder Rabatten Dritter oder Beratungsleistungen außerhalb des eigentlichen Rahmens der Verbandstätigkeiten.

Das wesentliche Angebot eines Verbandes überhaupt ist natürlich der Clubcharacter selbst. Im Verband trifft man sich mit seinesgleichen, Dritte bleiben „außen vor“. Dies äußert sich praktisch in der Möglichkeit zur Teilnahme an Gremien- und Fachsitzungen und bringt für viele ebenso viel in den Gesprächen während der Pausen dieser Sitzungen.

Die Identität kann durchaus umso größer wahrgenommen werden, je spezialisierter ein Verband ist. Je stärker die im Verband erzeugte Identität ist, umso mehr wird sie erneut zu einem USP – und dieser ist im Gegensatz zum eingangs genannten Lobbying direkt monetarisierbar!

Verbände müssen also, um erfolgreich zu sein, aus sich selbst heraus attraktiv sein. Es muss ihnen gelingen, als unverzichtbarer Branchentreffpunkt zu gelten.

Individuelle Leistungen

In begrenztem Rahmen beraten Verbände ihre Mitglieder auch vollständig individuell und bieten somit „private Güter“ an. (Den Rahmen bilden hier oft gesetzliche Regelungen z. B. zur Rechtsberatung und die spezielle Expertise von Mitarbeitern.) Die Konkurrenz zu Consultants und Anwälten ist hier augenscheinlich, und Verbände müssen bei gleicher Leistung billiger sein als ihre Wettbewerber. (Ein Beispiel ist der Lohnsteuerhilfeverein, und das Beispiel zeigt zugleich, dass das Angebot begrenzt bleiben muss.)

Die Beratung ihrer Mitglieder entsteht beim Lobbying praktisch von selbst als Kuppelprodukt. Hier konkurrieren Verbände aber intensiv mit Anwälten und Consultants. In Fällen komplexer Einzelberatungen sind sie nicht wettbewerbsfähig. (Und mache Consultants bieten umgekehrt inzwischen Lobbying als Kuppelprodukt zur Beratung an. Dies ist ein gefährlicher Trend für Verbände, der hoffentlich hinreichend durch die knappe „ear time“ der Politik begrenzt wird.)

Andererseits können Verbände viele, häufige, fortgesetzte, „kleine“ Beratungsleistungen erbringen, die ihre Konkurrenz u. U. nicht gewinnbringend abrechnen könnte. Sie müssen daher ihr Finanzierungsmodell auf Langfristigkeit und Stetigkeit aufbauen. Außerdem profitieren sie davon, dass sie ihre Informationen in der Regel einer größeren Zahl von Mitgliedern anbieten können – im Verbleich zu der in der Regel kleineren Anzahl Mandanten einer Kanzlei. Somit sind sie in der Lage, diese Leistung etwas preisgünstiger zu kalkulieren.

Zusammenfassung

Business Model

Verbände bieten Lobbying quasi-monopolistisch an und können doch keinen Monopolpreis aufrufen, weil sie ein öffentliches Gut anbieten. Fürs Lobbying allein gibt es keine Zahlungsbereitschaft. Sie müssen daher weitere Angebote daran knüpfen, für die sie eine Ausschließbarkeit herstellen können, und die das Lobbying querfinanzieren. Sind diese hinreichend „individuell“, so können sie an dieser Stelle eine Monopolistenrente aus dem Angebot „exklusiver“ Dienstleistungen, Partnerschaften und vor allem dem exklusiven Zugang zu Branchenzirkeln erzielen, aus der diese Querfinanzierung möglich wird.

Aus Sicht eines Mitglieds stellt der Beitrag zum einen ein „Eintrittsgeld“ dar, mit dem man den Zugang zum exklusiven Zirkel des Verbandes erhält. Zum anderen erwirbt man als Mitglied ein vergleichsweise günstiges Abonnement auf Informationen und Beratungsdienstleistungen. Beides lässt sich nicht trennen und wird umso „wertvoller“, je stärker ein Mitglied sich im Verband engagiert bzw. diesen in Anspruch nimmt.

Bemessungsgrundlage für den Verbandsbeitrag

„Alles muss aus dem Umsatz finanziert werden“, hört man gelegentlich. Der Umsatz ist somit ein natürlicher Anknüpfungspunkt für den Mitgliedsbeitrag. Je stärker die Verbandsleistungen auf den Unternehmenserfolg „einzahlen“ (eine Formulierung, die ich nicht mag, die hier aber passend ist), desto stärker kann der Beitrag nach dem Umsatz differenziert werden. Ist das Verbandsangebot eher generisch, dürfte ein höherer Mindest- oder Sockelbeitrag angebracht sein. Hängt der Unternehmenserfolg an Informationen zu anderen Kenngrößen (z. B. dem Rohwareneinsatz), so bieten diese sich als Anknüpfungspunkt für die Beitragsbemessung an.