Erfolgsmessung in Verbänden – ein pragmatischer Ansatz

»Der Erfolg hat viele Väter«, habe ich an anderer Stelle bereits ausgeführt. Doch was ist Erfolg für einen Verband? Oft hört man, Erfolg sei schon, »Schlimmeres verhindert zu haben«. An dieser Stelle mache ich einen pragmatischen Vorschlag, wie man den Erfolg der Verbandsarbeit messen und darstellen kann.
TL;DR: Fazit
Zielsetzungen beachten
Ob man erfolgreich war oder nicht, ist erstens eine Frage der Definition und zweitens eine Frage der Messung. Mein Vorschlag: Aus vier typischen Verbandstätigkeiten werden entsprechende Ziele abgeleitet. Diese werden dann einem einfachen Schema als »hinreichend«, »gut« oder »vollständig erreicht« klassifiziert.
1. Beratung nach innen. Verbände informieren ihre Mitglieder über spezifische Themen von Interesse, oft über Gesetzesvorhaben, Marktgeschehen oder andere Brancheninformationen. Dieses Verbandsziel könnte man »Mitgliederberatung« nennen.
»Hinreichend« ist der Erfolg dieser Beatungsleistung, wenn der Verband genügend qualitativ angemessene Informationen für seine Mitglieder bereitstellt. Das kann eine bestimmte Anzahl von Rundschreiben pro Woche sein, oder eine Monatszeitschrift oder was auch immer.
»Gut« ist der Erfolg, wenn die Mitglieder diese Informationen auch tatsächlich aufnehmen. Beispielsweise kann man die Quote der gelesenen und ungelesenen Rundschreiben erfassen, um dies zu dokumentieren. Auch Rückfragen stellen einen Indikator dar. Noch besser ist es, wenn Mitglieder die bereitgestellten Informationen sichtbar nutzen, beispielsweise indem sie sie sich zu eigen machen (etwa in Verträgen) oder zitieren.
»Vollständig« wird der Beratungserfolg aber erst, wenn die Aufnahme der bereitgestellten Informationen den Mitgliedern tatsächlich nützt, also ihnen hilft, ihre eigenen Ziele besser zu treffen, beispielsweise mehr Umsatz zu generieren, sich besser zu organisieren, einen Lernfortschritt zu erreichen, oder was auch immer. Dieses Maß an Erfolg wird man im Verband selbst nur schwer messen können. Denn der Beitrag des Verbandes wird selten die einzige Informtionsquelle der Mitglieder, noch seltender wirklich entscheidend sein und im Zweifel ohne Rückmeldung seitens der Mitglieder gar nicht bemerkt.
2. Beratung nach außen. Die klassische Verbandsarbeit ist die »Politikberatung«, kurz: das Lobbying.
»Hinreichend« ist es für einen Verband, überhaupt Lobbying zu betreiben, also eigene politische Positionen zu entwickeln und zu vertreten. Messen ließe sich dies in der Zahl der an Politiker oder Ministerien übersandten Briefe, Stellungnahmen usw. Ein weiteres Maß ist die Zahl der Gespräche, die mit Abgeordneten und hohen Ministerialbeamten geführt wurden. Auch kann man das Geld messen, das man fürs Lobbying ausgibt. All dies muss übrigens in dem seit zwei Jahren in Kraft getretenen Lobbyregister beim Deutschen Bundestag vermerkt werden.
»Gut« wird die Politikberatung, wenn sie auch tatsächlich »ankommt« in dem Sinne, dass die eigene Position nachweislich gehört und weitergegeben, im besten Fall sogar zu eigenen Meinung hinzugefügt wurde. Das ist schwieriger zu überprüfen, aber man kann darauf hoffen, von besuchten Politikern anderswo zitiert zu werden.
»Vollständig« hat ein Verband dieses Ziel erreicht, wenn die vertretene Position tatsächlich Eingang in die Gesetzgebung findet bzw. das eigentliche inhaltliche Ziel erreicht wurde. »Wir haben unser Ziel erreicht«, heißt es dann voller Stolz im Verband.
3. Kommunikation nach außen. Gutes Lobbying funktioniert nur in tandem mit guter Öffentlichkeitsarbeit. Diese beiden Ziele sind komplementär, denn oft genug legen sich Politiker nur ins Zeug, wenn sie sich einer gewissen Unterstützung – anderer Politiker oder besser noch: einer breiten Öffentlichkeit – sicher sind.
Öffentlichkeitsarbeit ist daher notwendig und »hinreichend«, wenn sie überhaupt stattfindet, d. h. wenn Pressemeldungen geschrieben, Social Media bespielt, Pressegespräche veranstaltet werden.
Ihr »guter« ist Erfolg ist meßbar in Page Impressions, Zitaten in der Presse (z. B. Google News Alerts), Rückfragen von Journalisten, Anfragen zu Radio- oder TV-Interviews (die dann auch gesendet werden) usw.
Ob man je »vollständig« erfolgreich ist, lässt sich schwer sagen. Dazu müsste man in die Köpfe der Rezipienten der bespielten Medien gucken können. Es geht um die Einstellungen und Entscheidungen weit entfernter Dritter. Kommunikation kann politische Entscheidungen mit beeinflussen (s. o.), aber welchen Ausschlag sie letztlich hat, bleibt schwer zu beurteilen. Dies hat sie mit der klassischen Werbung gemein, und doch wird niemand auf Werbung verzichten wollen.
4. Kommunikation nach innen. Selbst, wenn alles andere mißlingt – ein Verband ist immer ein Zusammenschluß gleichgesinnter und auf den gegenseitigen Austausch bedachter Mitglieder. Das wichtigste Ziel des Verbandes ist es, eine Plattform zu bieten, Zusammengehörigkeit zu stärken, Identität zu stiften.
»Hinreichend« dafür ist natürlich zunächst einmal, überhaupt Treffen zu organisieren: die Mitgliederversammlung, Ausschüsse, Arbeitsgruppen, Young Business Clubs, Pensionärstreffen, KMU-Runden, Stammtische … was auch immer.
»Gut« ist es, wenn die Kommunikation sich selbst erhält, wenn die Mitglieder gern kommen und wieder kommen, Ideen einbringen; wenn sich intensive Diskussionen ergeben; wenn die Teilnehmerzahl oder die Zahl der Treffen steigt.
»Vollständiger« Erfolg ist davon nurmehr graduell entfernt. Da es bei der internen Kommunikation nicht vordergründung ums rein geschäftliche geht, ist der Erfolg noch weniger meßbar als bei den anderen drei genannten Verbandszielen. Vielmehr geht es um eine gute »Stimmung«. Mit ihr steht und fällt der Spaß an der Verbandsarbeit, beim Hauptamt wie beim Ehrenamt. Wenn der Vorstand vorschlägt, die Jahrestagung zu verkürzen (»effizienter« zu machen) und Musik und Unterhaltung aus dem Programm streicht, ist man auf dem falschen Weg. Verbandstreffen werden dann nur als Mittel zum Zweck gesehen, und dabei wird verkannt, dass sie ein Selbstszweck sind, der wichtigtste im Verband.
Kürzlich hörte ich: »Wenn wir uns sprechen wollen, können wir uns auch außerhalb des Verbandes treffen.« Da ist es nicht mehr weit bis zur Auflösung des Verbands.
Zusammenfassung
Die Zielerreichung im Verband ist nur qualitativ messbar, wenn überhaupt. Deshalb können Zielerreichtungsgrade nur in grober Einteilung – hier in einem Dreierschema – dargestellt werden. Die Erfüllung der unmittelbaren Verbandspflichten – zu informieren, sich einzusetzen, aktiv zu sein – ist schon die erste Stufe des Verbandserfolgs. Um einen »hinreichenden« Erfolg zu generieren, muss ein Verband sein Bemühen nachweisen. In vielen Fällen wird eine weitere Erfolgsmessung gar nicht möglich sein, aber in jedem Fall ist das erfolgreiche Bemühen die Voraussetzung für die weitere Zielerreichung, und zwar der des Verbandes und der seiner Mitglieder.
Kann der Verband darlegen, dass sein Bemühen tatsächlich bei den Addressaten angkommen ist – den Mitgliedern selbst oder den im Auftrag der Mitglieder angesprochenen Dritten –, so ist zumindest sichergestellt, dass die eingesetzte Mühe nicht umsonst war. Für einen Verband ist das schon ein »guter« Erfolg. Vielfach geht es ja darum, Informationen im eigenen Netzwerk weiterzuvermitteln oder das Netzwerk selbst zu vergrößern. Durch mehr Aktivität lässt sich der Erfolg des Verbands jetzt nicht mehr steigern, nur noch durch bessere Arbeit.
»Vollständig« erfolgreich ist ein Verband, wenn die bereitgestellten Dienste darüber hinaus dazu beitragen, die von den Verbandszielen unabhängigen eigenen Ziele der Mitglieder zu fördern, beispielsweise wenn die Verbandsinformationen halfen, Kosten zu sparen oder wenn Kommunikationskampagnen dazu beigetragen haben, neue Kunden zu gewinnen oder Gesetze im eigenen Sinne zu beeinflussen. Erst dann ist der Verband für seine Mitglieder unersetzbar. Und diese spezifische Leistung ist es, die Mitglieder im Kopf haben, wenn sie alljährlich die Mitgliedsbeiträge in Relation zur »gefühlten« Leistung des Verbandes setzen. Gefühl entscheidet schließlich über die Zugehörigkeit zum Verband. Deshalb sind schöne Verbandstreffen das allerwichtigste.
Fazit
Wer sich auf »hinreichende« Leistungen fokussiert, wird vor allem die geleistete Arbeit herausstellen (Outputmaximierung). Um eine »gute« Verbandsarbeit darzustellen, muss man Wege finden, den eigenen Einfluss im Netzwerk zu messen (Der eigene Output als Input bei Dritten). Einen »vollständigen« Erfolg erreicht man nur, wenn man etwas bewirkt. Das lässt sich in einfachen Metriken nicht messen – außer vielleicht in der Tendenz der Mitgliederentwicklung.